Wie macht man aus einem kleinen, funktionalen Gerät ein Produkt mit Potenzial zum Kultstatus? Den beiden Gründern von Tentacle Sync war von Anfang an klar:
Nur mit einer starken Marke kann ihr Timecode-Generator im internationalen Wettbewerb bestehen. Mit der Kombination aus moderner Technologie und emotionalem Branding, das sie zusammen mit dem Dortmunder Designbüro labor b entwickelten, ist das Kölner Startup seinen Mitbewerbern eine gute Tentakel-Länge voraus.
Sechs Jahre ist es her, da schickten sich zwei Kölner Kameramänner an, ein Gerät zu revolutionieren, dessen Nutzung nur Profis der Filmbranche vorbehalten war: den Timecode-Generator.
Worum geht es? Damit Bild und Ton im fertigen Film synchron aufeinander abgestimmt sind, müssen die Kameras und der Ton während der Produktion die exakt gleichen Zeitinformationen aufzeichnen. Diese Aufgabe übernimmt der Timcode-Generator. Anhand der aufgezeichneten Informationen kann man nachher feststellen, wann welche Kamera lief und dies mit der Tonspur synchronisieren.
„Man kann sich den Timecode-Generator ungefähr so vorstellen, wie im Film den Uhrenvergleich vor dem Banküberfall“, sagt Ulrich Esser, einer der beiden Gründer von Tentacle Sync. „Alle Uhren müssen auf exakt die gleiche Zeit eingestellt werden, damit jeder zur richtigen Zeit das richtige macht.“ Wie sein Kompagnon Maximilian Kaiser arbeitet Esser seit vielen Jahren als Kameramann für unterschiedlichste Filmproduktionen. Kennengelernt haben sich die beiden schon während ihres Design-Studiums an der Fachhochschule Dortmund.
Auch wenn die Synchronität zwischen Bild und Ton hauptsächlich in der Verantwortung der Tonleute liegt, kennen Esser und Kaiser die Problematik bei der Arbeit mit dem bisherigen Gerät.
„Die Timecode-Generatoren, die man vorher vor allem in Spielfilmen einsetzte, waren sackschwer, kompliziert zu bedienen und sehr teuer“, sagt Esser. Die Idee, ein kleineres und leichteres Gerät zu entwickeln, hatte Maximilian Kaiser, als er bei einer Produktion nicht nur für die Kamera, sondern auch für Ton und Schnitt verantwortlich war. Zur technischen Umsetzung holte er Ulrich Esser mit ins Boot. „Professionell war bisher immer gleichbedeutend mit schwer und kompliziert“, sagt Esser. „Davon wollten wir weg und haben uns vor allem überlegt, was man an dem Gerät vereinfachen und was man vor allem auch weglassen kann.“
Esser, selbst IT- und technikbegeistert, bastelte an ersten Prototypen, die die beiden Kameramänner von Freunden und Kollegen testen ließen. Als das Feedback positiv ausfiel, überlegten sie, daraus ein Produkt zu machen, das auch noch für eine andere Zielgruppe interessant sein könnte. Dabei dachten sie vor allem an die Youtuber und semiprofessionellen Filmer, die mit einer oder mehreren Spiegelreflex-Kameras Videos produzieren und die vor allem auf Mobilität setzen.
"Wir wollten ein Gerät bauen, das einen modernen Ansatz hat, das dem Zeitgeist entspricht und das die Leute gerne nutzen. Es sollte klein und mobil, intuitiv zu bedienen und für jeden erschwinglich sein." Für die weitere, professionelle Ausarbeitung des Geräts zogen Esser und Kaiser einen Produktdesigner hinzu.
Parallel dazu entwickelte Esser die passende Software, die die Auswertung der Daten und tatsächliche Synchronisierung so einfach wie möglich machen sollte. Ein Novum in der Branche. "Mit unserem Produkt denken wir den Synchronisierungsprozess als Ganzes. Deshalb machen wir Hardware mit der passenden Software", sagt Esser. "Wir wollten alte Zöpfe abschneiden und ein Produkt schaffen, das vor allem auch die kommenden Generationen nutzen. Die erwarten ganz selbstverständlich, dass man die Hardware ans Smartphone oder den Laptop anschließen kann, um dort im Prozess weiterzuarbeiten."
Dieser Fokus auf die mobile, tech- und internetaffine Zielgruppe schloss auch ein entsprechendes Design mit ein, nicht nur was das Produkt angeht, sondern vor allem auch die Marke. "Es reicht nicht mehr, dass das Produkt gut ist, es muss auch stylisch sein und eine Marke entwickeln, mit der sich der Nutzer identifiziert. Deswegen war uns von Anfang an ein professionelles Corporate Design wichtig."
Im April 2014, ein halbes Jahr vor der Crowdfunding-Kampagne, die das Gründerteam dazu nutzen wollte, die erste Charge zu produzieren, setzte Ulrich Esser alles auf eine Karte und pitchte die Idee vor Simon Busse vom Dortmunder Designbüro labor b - wohl wissend, dass das vorhandene Kapital für die Arbeit eines professionellen Designteams nicht reicht. Die beiden kannten sich von einem gemeinsamen Auftrag. Neben dem Prototypen hatte Esser zudem den Namen "Tentacle" im Gepäck und einen kleinen Tintenfisch als erste Logo-Idee.
Simon Busse sagte zu. "Zum einen fand ich die Produktidee überzeugend, zum anderen hat mich die Sache mit dem Crowdfunding gereizt. Solch eine spezielle Situation mal zu begleiten, war für mich ein spannendes Projekt."
Nach ersten intensiven Workshops zwischen Startup und Designern entwickelte labor b erste konzeptionelle und gestalterische Ansätze zu Logo, Schrift, Farbe und Formen und präsentierte einige Entwürfe. Zu überlegen war unter anderem, ob eine Wort- oder eine Bildmarke geschaffen werden sollte. Maßgeblich für diese Entscheidung war die primäre Zielgruppe, die es zu erobern galt.
Gingen Tentacle Sync zunächst hauptsächlich von Nutzern digitaler Spiegelreflex-Kameras und semiprofessionellen Kameraleuten aus, verlagerte sich der Fokus nach Recherchen von labor b zu Technologie, Mitbewerbern, Markt und der Vorgeschichte des Produktes auf die Community der Ton-Profis. „Für sie wollten wir eine Art Maskottchen schaffen, einen kleinen, freundlichen Helfer“, erklärt Busse. Wie von Ulrich Esser angedacht, fiel die Wahl auf einen Tintenfisch als Logo.
„Uns war wichtig, dass der Tintenfisch nicht zu verspielt rüberkommt. Er sollte zwar emotional sein, aber auch Professionalität signalisieren”, sagt Esser. Hier die richtige Mischung zu finden, darin investierten Startup und Designbüro viel Zeit und Diskussionen. Gelungen ist die Wirkung durch die Gestaltung des Tintenfischs aus geometrischen Strukturen mit großen, den Nutzer anblickenden Augen.
„Was als besondere Anforderung bei der Entwicklung des Corporate Designs hinzukam“, ergänzt Simon Busse, „war die Crowdfunding-Kampagne als erster Meilenstein mit der Zielsetzung, viele Leute in kurzer Zeit so zu begeistern, dass sie das Projekt finanziell unterstützen“.
Der intensive Austausch zwischen Startup und Designbüro hat sich gelohnt: Das Fundingziel von 90.000 Euro wurde nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten. Das zahlte sich auch für das Team von labor b aus, die mit dem Auftrag insoweit ins Risiko gingen, als dass ein Teil des Honorars an die in der Kampagne verkauften Geräten gekoppelt war.
Ulrich Esser und Maximilian Kaiser profitierten zudem noch auf einer weiteren Ebene von der Zusammenarbeit. „Die gezielten Fragestellungen von labor b bei der Entwicklung des Corporate Designs haben uns noch mal dazu gebracht, zu definieren, was uns wichtig ist und worum es uns im Kern geht“, sagt Esser. „Das hat auch für unser Unternehmen noch mal mehr Klarheit geschaffen.“
Nach der erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne setzten die beiden Gründer mit der Markteinführung ihres Timecode-Generators einen neuen Standard in der Branche. Ton-Profis aus aller Welt nutzen den „Tentacle“ für ihre Arbeit an unterschiedlichsten Filmproduktionen. Inzwischen haben sich auch die Mitbewerber angepasst und bieten Geräte in ähnlicher Größe und Preislage.
Für das Kölner Startup zahlt sich aus, dass sie von Anfang an den Fokus nicht nur auf das Produkt, sondern auch die Markenbildung gesetzt haben. „Das hilft uns jetzt enorm im Wettbewerb“, sagt Ulrich Esser. „Jetzt geht es nicht nur um die Funktion und technische Daten, sondern darum, wer das coolere Produkt hat, mit dem sich die Nutzer wohlfühlen.“
Besonders international sind die Kölner ihren Wettbewerbern eine gute Tentakel-Länge voraus. Doch auch im neuen Technologien gegenüber eher konservativ eingestellten Deutschland bekommt der kleine Helfer mit dem Tintenfisch-Emblem eine wachsende Fangemeinde. „Manchmal wundere ich mich über das emotionale Feedback unserer Kunden“, schmunzelt Ulrich Esser. "Eigentlich ist es ja nur ein Timecode-Generator, für manche ist es aber mehr."