„One’s a company, two’s a ...

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  • Veröffentlicht am 16.05.2016
 „One’s a company, two’s a ...

Hotel Shanghai. Museum Folkwang. Red Bull. Die Toten Hosen. NRW-Forum. Cro. Ringlokschuppen Ruhr. Flughafen Düsseldorf. Vom Club in die Hochkultur und die großen Unternehmen – diesen Spagat schaffen Karsten Blaschke, Theis Müller und Lars Wöhning von V2A.NET locker. Nicht nur auf dem Papier mit Corporate Designs, Flyern und Plakaten, sondern auch elektronisch. Mit VLIGHT.TO, der „dreckigen, kleinen Schwester“ bespielen sie weltweit die LED-Wände hinter DJs, Bands und Musikern mit 3D-Live-Visualisierungen. Ein Besuch in Essen.

Hotel Shanghai. Museum Folkwang. Red Bull. Die Toten Hosen. NRW-Forum. Cro. Ringlokschuppen Ruhr. Flughafen Düsseldorf. Vom Club in die Hochkultur und die großen Unternehmen – diesen Spagat schaffen Karsten Blaschke, Theis Müller und Lars Wöhning von V2A.NET locker. Nicht nur auf dem Papier mit Corporate Designs, Flyern und Plakaten, sondern auch elektronisch. Mit VLIGHT.TO, der „dreckigen, kleinen Schwester“ bespielen sie weltweit die LED-Wände hinter DJs, Bands und Musikern mit 3D-Live-Visualisierungen. Ein Besuch in Essen.

Text:    Porträt: Anna Merten

Die mit dem Neon. Hört man öfter, wenn man in der Szene und in deren interessierten Umfeld den Namen V2A.NET fallen lässt. Stimmt ja auch. Obwohl sie das etwas zurückgefahren haben mit den Neon-Farben. Sowas bleibt aber hängen – wie ihre Corporate-Designs zu den ersten Kreativen Klassen Ruhr oder für das Ausstellungsprojekt „Hacking the City“ in leuchtensten Neon-Grün. Ist beides aber auch schon wieder vier Jahre her. Aber: Im Signet der Designagentur blitzt es immer noch Neon-Pink, soviel Image muss dann doch sein.

Essen-Rüttenscheid, Annastraße. Unaufgeregte 50er-Jahre-Kratzputz-Architektur; schick ist anders. V2A.NET findet man in zweiter Reihe, im Hinterhof – angenehm unglamourös auf den ersten Blick. „Ja, das ist schon etwas bold hier“ lacht Karsten Blaschke. „Das ist immer ganz interessant, wenn Kunden zum ersten Mal über den Hof kommen. Aber – what you see is what you get.“ Das passt ganz gut zum Image und den Arbeiten von V2A.NET, und obwohl das Hinterhaus mal industriell genutzt wurde, darf man im Inneren keine Rostromantik aus alten Stahlträgern und Ziegelwänden erwarten. Eher einen White Cube; großzügig, lichtdurchflutet, voller Arbeitstische. Ein freundlicher Hund streicht umher, an den Wänden hängen Plakate aus eigener Kreation, dazwischen finden sich immer wieder Star Wars-Devotionalien.

Im Jahr 2001 finden sich Karsten Blaschke, Theis Müller und Lars Wöhning zusammen und gründen aus dem Studium an der Universität Essen heraus die gemeinsame Designagentur. „Wir hatten die selben Interessen“ sagt Lars Wöhning. „Unser erstes Büro war eine kleine Wohnung im Essener Norden mit Toilette auf dem Flur, seit 5 Jahren sind wir jetzt in Rüttenscheid.“ Das damalige Nachtleben beeinflusst schon früh das Tagwerk: „Damals haben wir Flyer für gefühlt alle Clubs in Essen gestaltet, Flamingo und wie die alle hießen,“ sagt Karsten. „Das Einzige was heute davon übrig geblieben ist, ist das Hotel Shanghai, das ist mein Steckenpferd. Aber da kommen wir her, das ist die freieste Form, etwas zu gestalten. Wir haben im Club-Bereich schon eine Menge bewegt. Darüber kamen dann auch andere Kunden. Seit über acht Jahren arbeiten wir für Red Bull, das ist auch damals auch über die Clubs zu Stande gekommen.“ Für das Hotel Shanghai in Essen gestaltet V2A.NET Flyer und Plakate; avantgardistische Foto-Collagen, die man sich auch in animierter Form vorstellen kann. Auch die 22 Meter lange Tapete, die den Club im Inneren umkleidet, geht auf ihr Konto. 

Die Nachtgestalten nutzen das unkonventionelle Image auch für andere Aufträge außerhalb der Clubszene, wie beim Museum Folkwang, das sonst ein eher konventionelles Erscheinungsbild hat. „Die hatten 2010 das Ausstellungsprojekt ‚Hacking the City‘. Da gab es eine Kuratorin, die kam nicht aus dem Ruhrgebiet, fragte aber mit wem man das hier machen könnte,“ erzählt Karsten. „Und dann kam von zwei Seiten: Da muss du zu V2A gehen. ‚Hacking the City‘ war auch für das Folkwang keine alltägliche Ausstellung. Da ging es um Streetart, um die intelligentere Streetart, nicht nur Stencils, also richtige Irritationen im öffentlichen Raum. Das haben wir dann auch gemacht.“ Ihr Corporate Design für „Hacking the City“ bürstete die Konventionen konsequent gegen den Strich. Der eigentliche Schriftzug wurde von zwei neon-grünen(!) Balken abgedeckt – zuerst war er noch lesbar, am Ende blieben nur die Balken als Hauptgestaltungselement über, lediglich die Abstriche der Buchstaben waren noch an den Rändern sichtbar. Ein Signet zerstörte und irritierte sich selbst. Die zwei Balken fanden sich auf Plakaten, Postkarten und Taschen wieder, selbst das brave Layout der Folkwang-Kataloge wurde visuell mit neon-grünem Flatterband umwickelt. „‚Hacking the City‘ war der Übergang,“ sagt Karsten. „Damals waren wie eine kleinere Agentur, heute haben wir seit einem Jahr den Düsseldorfer Flughafen als Kunden, und seit 9 Jahren Red Bull – das Vertrauen der großen Kunden ist schon da. Das tut uns ganz gut; diese kleinen quirligen Sachen sind der Sand im Getriebe.“ „Was man sich auch erhalten muss“, ergänzt Lars. „Ich glaube, Red Bull sieht das ganz gerne, was wir so an wilden Dingen machen.“

Auch dem Ringlokschuppen Ruhr in Mülheim haben sie kürzlich einen neuen Auftritt verpasst. Verrauscht-analoge Stadtansichten, kombiniert mit einer fetten, rauen Schriftart, dazu Plakate und Postkarten mit Texten wie „Was ist los mit dir, mein Schatz?“ oder „Lass uns noch mal von vorn anfangen“. Mit dem Ringlokschuppen arbeitet V2A.NET schon länger zusammen, und hat den avantgardistischen Stadtspielen wie „Schlimm City“ und „Momentanindustrie“ eine visuelle Sprache verpasst. Auch das Artwork zum kürzlich gelaufenen Theaterprojekt „Die 54. Stadt“ ist von ihnen. „Beim Re-Design des Ringlokschuppens war uns schnell klar – da brauchen wir gar nicht erst mit Feintypografie anzukommen, was die brauchen, ist ein Statement!“ sagt Karsten. „Der Ringlokschuppen spielt mit Ironie, mit Provokation, da muss man nicht auf besonders durchdachte Menüstrukturen achten. Das muss interessant sein! Und nicht schön! ‚Schatz, lass uns noch mal von vorne anfangen!‘ – das ist eine Liebeserklärung! Das ist ja nicht hier ist alles Scheiße; man gibt dem Ganzen eine Chance. Man pöbelt ja nicht drauf ein, und das ist ja auch nicht politisch gemeint. Ich hätte es als Mülheimer gern noch offensiver, aber das muss der Ringlokschuppen wissen.“ 

Für Aufsehen sorgte 2005 ihre App für das NRW-Forum in Düsseldorf, die erste deutsche Museums-App in dieser Form. „Die App war deshalb so erfolgreich, weil sie zu diesem Zeitpunkt etwas völlig neues war und die Macher es gut fanden, dass im Museum telefoniert wurde. Das war auch einer der Kommentare: Die trauen sich das. Geh sonst mal mit dem Handy ins Museum, da ziehst du direkt böse Blicke auf dich. Das war beim NRW-Forum damals erwünscht“, erinnert sich Karsten. Was die App-Entwicklung heute angeht, ist Lars realistisch: „Apps sind eigentlich tot, die lassen sich nur schlecht verkaufen. Damals haben sich die Apps gerade etabliert, inzwischen ist der Bedarf gedeckt. Die Smartphone sind voller Apps, da ist kaum noch Interessen-Platz übrig. Außerdem ist die Entwicklung sehr teuer, das unterschätzen die meisten. Und man muss die Apps mit jedem Update neu anfassen und Schnittstellen erneuern, das kostet eben. Das wird abgelöst von Web-Apps, Webseiten im HTML5-Format, die auf allen Geräten funktionieren, sei es ein Desktop, Tablet, Smartphone oder ein Fernseher.“ Karsten ergänzt: „Wenn wir diesbezüglich Anfragen haben, sagen wir, können wir machen. Aber fragt euch mal selber – braucht ihr das wirklich? Wo steckt der Mehrwert?“

Bleibt noch VLIGHT.TO, die „dreckige kleine Schwester“ von V2A.NET, die mit dem hübsch garstigen Logo, einem Totenschädel mit Mickymaus-Ohren, unter deren Namen Live-3D-Visualisierungen auf riesigen LED-Wänden für DJs wie Cosmic Gate, ATB oder Lexy & K-Paul entstehen, aber auch die Tour-Bühnenbilder der Toten Hosen oder Cro bespielt werden. „Das ist damals zeitgleich mit der Gründung von V2A.NET entstanden“, sagt Karsten. „Das war unsere Diplomarbeit – wir haben VJ-Software entwickelt, und den passenden Content dazu bereitgestellt. Eigentlich wollten wir unsere Diplomarbeit auf einer Party präsentieren, aber da hat die Prüfungsordnung nicht mitgespielt. Wir haben die dann morgens um Zehn gemacht. Ich glaube, wir sind die einzigen diplomierten VJs, die es in Deutschland gibt! Das trägt sich nach wie vor. Als wir die Toten Hosen zum ersten Mal trafen, kamen die gerade von einer großen Tour, und für das letzte Konzert in der LTU-Arena haben die sich eine riesige LED-Wand hinten reingestellt, sich aber keine Gedanken über die Inhalte gemacht. Da haben wir dann in einer Düsseldorfer Hotelsuite gesessen, voller Monitore und Kabel und haben die ersten Visuals gemacht, nur für das Abschiedskonzert. Seitdem werden die gesamten Tourneen mit LEDs und Live-Visuals ausgestattet, das sind 30 bis 40 Songs mit Zugaben an einem Abend. In Berlin gibt kann man sich bei Blackbox in eine riesige Probenhalle einmieten, die haben die ganze Technik vorrätig; dann kann man eine ganze Bühne im Maßstab 1:1 drin aufbauen. Die Technik selber machen wir nicht. Wir sind kommen mit dem Kabel, und was da rauskommt, müssen die auf die Wände verteilen.“

Letzte Frage – wie geht es weiter mit V2A.NET und VLIGHT.TO? „Wir wollen immer noch eine bewegliche Designagentur bleiben,“ antwortet Karsten. „Als Geschäftsführer möchte ich eigentlich noch selbst gestalten und kein reiner Personaler werden, aber wer weiß. Großen  Agenturen  fehlen aus meiner Sicht oft die  Flexibilität und zum Teil leider auch die  Leidenschaft für manche  Projekte.“ „Dafür haben wir ein gutes Netzwerk aus freien Mitarbeitern – Designern, Illustratoren, Fachleute für Frontend und Backend, Technologiespezialisten, Programmierer“, sagt Lars. Und legt nach: „Wir sind sehr interessiert an talentierten Grafikern und kreativen Leuten; auch an Studenten, die noch nicht fertig sind und Bock auf uns haben. Der heiße Scheiß, her damit! Das kannst du so schreiben.“ 
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