Der Ball ist rund und das Spiel geht auch dann weiter, wenn die Luft raus ist. Karolchicks, das Bochumer Label von Katarzyna und Maciej Karolczyk, steht für Upcycling-Design aus Resten. Ihre Ausgangsmaterialien sind unter anderen Ex-Fußbälle, Kaffeesäcke, Lebensmittelfässer und altes Kneipenholz.
Das Runde muss ins Eckige. Doch die Nützlichkeit des Ballsportgeräts beschränkt sich nicht nur auf seine Beförderungsmöglichkeit ins Fußballtor. Nach seiner aktiven Zeit auf den Ascheplätzen der Region kann das Runde auch schön und nützlich sein. Das befindet auch das Designerehepaar und erschafft aus verschiedenen Bällen Lampen. Und weil zu diesem Zwecke das Kunstlederteil gekappt werden muss, entsteht aus dem Rest auch noch eine formschöne Schlüsselschale. Bloß nix wegwerfen.
Aus diesem Gedanken heraus entstand das Label. Das Ehepaar Karolcyk, er, 30 Jahre alt, in Krakau studierter Industriedesigner, sie, 35, in Düsseldorf und Mönchengladbach ausgebildete Damenschneiderin und Textilmanagerin mit einem Abschluss in Erwachsenenbildung, wohnten einmal ganz urban an einer großen Bochumer Ausfallstraße, wo der türkische Gemüsehändler des Hauses seine großen Konservendosen nach Entnahme des Oliveninhalts schlichtweg verklappen wollte. Viel zu schade. Was kann man daraus machen? Sitzgelegenheiten. Das hatten Berliner Design-Nachwuchskräfte bereits herausgefunden. Doch typisch für die Denke von Katarzyna ist, dass sie darauf besteht, dass die Sitzgelegenheiten auch als Aufbewahrungsdosen funktionieren. Warum die Funktionalität opfern? Zu Ende denken.
Ihr Denken in Richtung Upcycling-Philosophie wurde maßgeblich durch eine Arbeit bei der Diakonie Essen beeinflusst. Nachdem sie eine ganze Weile als freiberufliche Beraterin beim Modegiganten Boss gearbeitet hatte, staunte sie nach Heirat und Umzug ins Ruhrgebiet in ihrer neuen Tätigkeit über die unglaubliche Masse an Material, die ihr für Nähkurse mit (meist) arbeitslosen Frauen in der Diakonie zur Verfügung standen. Alte Stoffe wurden von alten Damen gespendet, Polizeiuniformen, die nach einer Modereform nicht mehr gebraucht wurden, ausgediente Kaffeesäcke und vieles mehr. Eine kleine Geschäftsidee war geboren. Schon in den Shops der Diakonie konnten Kleinigkeiten angeboten werden. Mit ihrem Mann Maciej, den sie bei einer Expedition in ihre eigene Familienvergangenheit kennenlernte, lebt sie seit 2009 in Bochum. Eine strategische Entscheidung. Das soziale Umfeld stimmt, es gab zuvor schon Freunde hier, die Mieten sind andere als in Düsseldorf, die Lage ist zentral. Ein Atelier haben sie schnell in der alten Pantoffelfabrik gefunden, dort „anne Castroper“ quasi zwischen Papageienhaus und Fußballstadion. Als einzige Erstmieter sind die Karolczyks dort immer noch aktiv.
Ihr erstes größeres gemeinsames Projekt sorgte dann für viel Aufsehen. Sie verantworteten das Raum- und Einrichtungskonzept des „Kugelpudel“, der Szene-Eisdiele im Ehrenfeld. Dafür sollten unbedingt die Materialien, die bei der Renovierung des ehemaligen „Haus Ehrenfeld“ abfielen, wiederverwertet werden. Und so entstand sehr besonderes und einzigartiges Mobiliar, das viel zum Charme und zum Erfolg des Ladens beitrug, der sich im letzten Jahr zum großen Treffpunkt, zum Place-to-be im ach so angesagten Ehrenfeld entwickelt hat. Altes Kneipenholz verband sich mit anderen Fundmaterialien zu Stühlen und Bänken. Hingucker. Daraus resultierten Anfragen und Kontakte, die das Ehepaar ermutigten, mit einem eigenen Label aufzutreten. Aus dem polnischen Nachnamen des Paares wurde die schicke Bezeichnung Karolchicks. Mit einer kleinen Produktpalette ging es ins Weihnachtsgeschäft 2013. Die beiden Top-Hits der Marke sind die Fußball-Lampen und die Katzenkugel. Die Inspiration zur Fussek-Beleuchtung kam den beiden einmal mehr bei der Inspektion des Mülls. Am Saisonende verfrachtete der neben der Pantoffelfabrik residierende Balltreter-Verein gleich Dutzende Bälle in den Abfall. Verwertet werden die zerschlissenen Kunstlederdinger recht einfach. Reinigen, zuschneiden, innen mit Sand panieren, Elektrogedöns rein und fertig. Durch die vorherige Benutzung auf Asche, Kunstrasen oder Rasen bekommen die Lampen durchaus eigene Zeichnungen und individuelle Optiken. Zuletzt haben die Karolchicks dann einmal 90 Vereine des Bezirks angeschrieben, gut 15 haben geantwortet und freuen sich, dass ihre alten Sportgeräte zukünftig zur allgemeinen Illumination beitragen können.
Die Katzenkugel ist ein Produkt, das quasi von der hauseigenen Karolchicks-Katze erfunden worden ist. Die hielt sich plötzlich in nicht zugenähten Kissen auf. Diese Vorliebe inspirierte zur Katzenkugel, die über eine Doppelfunktion verfügt. Einerseits kann der Stubentiger das Teil als Höhle nutzen. Falls das nicht gewünscht wird, ist eine einfache Umstrukturierung zum klassischen Körbchen möglich. „Ich sage immer: der Käufer kauft nicht die Katze im Sack“, lacht Katarzyna. Der Wohn-Spaß für Vierbeiner ist auch in einer Deluxe-Variante aus Filz und Jute erhältlich.
Ein typisches Produkt der Karolchicks ist etwa auch der Tonnenstuhl. Der besteht untenrum aus einem klassischen Kneipenstuhl der Altvorderen. Obenrum wurde aber ein ausgedientes Lebensmittelfass verwendet. „Das kann aber kaum jemand erkennen“, so die Macher, „auch das ist ein Prinzip von uns: die Uneindeutigkeit des Produkts“. Als ästhetische Basis betont Katarzyna allerdings ganz eindeutig die Funktionalität ihrer Produkte. „Es muss praktisch sein. Ich bin halt so.“
Das Duo betreibt das Label nicht in Vollzeit. „Bei uns geht ein Drittel der Zeit für Karolchicks drauf, daneben gibt es noch jeweils ein Drittel eigene Projekte“, beschreibt Katarzyna die Arbeitsweise. Vielleicht will man demnächst auch einen Praktikumsplatz beim Label anbieten. Schon jetzt ist der Arbeitsaufwand nicht mehr allein von den beiden zu bewältigen, entsprechend lässt man einzelne Verkaufsschlager schon bei befreundeten Näherinnen in Polen produzieren. Als Label bereist man aber weiterhin die einschlägigen Messen und wird in diesem Spätsommer erstmals auch auf dem großen Design-Markt des Zeltfestivals Ruhr am Kemnader See vertreten sein. „Wir haben noch 1000 Ideen“, verspricht die Designerin für die Zukunft. Darunter auch Produkte, die zwar für den Kugelpudel entworfen worden waren, aber dort nicht realisiert wurden. Dabei soll die Arbeitsteilung etwas strikter als bisher gehandhabt werden. Sie bietet als Karolchick (Singular!) Nähkurse an, er ist offener für Inneneinrichtungen – etwa in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls in der Pantoffelfabrik arbeitenden Einrichter und Designer Carsten Hensing. Für die Zukunft bleibt also zu wünschen: Kick it like Karolchicks!